Frauen

„WIR HALTEN DURCH“

Die preisgekrönte, israelische Frauenorganisation Machsom Watch beobachtet seit 20 Jahren die Lage an Checkpoints zwischen Israel und der Westbank. Dort unterstützt sie aktiv palästinensische ZivilistInnen. Mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit leisten die Mitglieder Widerstand gegen die Besatzung, obwohl sie selbst israelische Staatsbürgerinnen sind. Und riskieren damit viel.

Jerusalem – „Wenn wir könnten, mein Mann und ich, dann wir würden Israel am liebsten verlassen. Aber wir sind jetzt über 70, wir sind zu alt.“ Roni Hammermann sitzt auf einem beigen Ledersofa, beugt sich kurz vor und schaut ihr Gegenüber dann intensiv an. Sie denkt kurz nach, dann sagt sie. „Ich würde sehr gerne in Italien leben. Aber dort habe ich keine Freunde, keine Unterstützung. Also bleiben wir in Israel.“ Sie schweigt.
Wir sitzen in dem Wohnzimmer der Hammermanns in Nahlot, einem Stadtteil in West-Jerusalem.

Desillusioniert

Ich bin hierher gekommen, um mich mit einer der Gründerinnen von Machsom Watch über ihre Arbeit zu unterhalten. Die israelische Organisation wurde 2001 von Roni Hammermann mitgegründet. Jetzt wird sie 20 Jahre alt und begeht dies mit einer virtuellen Ausstellung im August 2021. Die Organisation besteht nur aus Frauen. Alle sind freiwillig aktiv, ohne Bezahlung, aber mit der Überzeugung im Kopf und im Herzen, dass die israelischen Kontrollpunkte in der Westbank abgeschafft werden müssen. So wie die israelische Besatzung insgesamt. Roni Hammermann ist ihre Vorsitzende. Sie hat den Aachener Friedenspreis verliehen bekommen und ist jetzt 76 Jahre alt. Und sie ist verzweifelt. Denn die israelische Menschenrechtsaktivisten-Szene ist auf ein Häuflein zusammengeschrumpft in den letzten Jahren. Und die Politik Israels wird immer rechter: „Hier ist soviel Hass in diesem Land, soviel Wut und Rassismus, das ist nur schwer auszuhalten“, sagt Roni.

Von Wien nach Jerusalem

Die studierte Slawistin war nie eine überzeugte Zionistin, obgleich der neugeschaffene jüdische Staat ihren Eltern 1930 zu einer sicheren Insel wurde. Beide stammten aus Österreich-Ungarn und mussten als vor den Nationalsozialisten verfolgte Juden fliehen. Roni wurde 1940 vor der Staatsgründung Israels im damaligen Palästina geboren, verbrachte aber ihre Schul-und Studienzeit in Wien. Mit 25 Jahren zog sie nach Israel und blieb. Nicht, weil sie sich unter Juden am wohlsten fühlte, sagt sie. Sondern weil sie an der Hebräischen Universität Russisch unterrichteten konnte und später dort Bibliotheksleiterin wurde.

Schwanger am Checkpoint

Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern war immer in der Menschenrechts-Szene aktiv, erzählt sie. Aber 2001 gab es eine entscheidende Wende in ihrem Leben. Aufgerüttelt durch einen Artikel in der linksliberalen Zeitung Haaretz, in der über palästinensische Frauen berichtet wurde, die ihre Babys an einem Checkpoint bekommen mussten, weil ihnen israelische Soldaten den Zugang zu den Krankenhäusern auf der anderen Seite verweigerten, begann Roni Hammermann mit einigen anderen Frauen darüber zu diskutieren. Werdende Mütter, die ihre Kinder auf offener Straße gebären mussten und das unter Lebensgefahr, das war ungeheuerlich, erinnert sie sich: „Wir sagten uns, kommt, da müssen wir hingehen, wir müssen uns die Situation direkt vor Ort an so einem Checkpoint ansehen.“

Die Situation verschlechtert sich

Roni Hammermann am Checkpoint in Qualandia 2009. Foto: Tamar Fleishman

Aus dem Hingehen und dem sich Vor-Ort-Überzeugen wurde eine der meist geachteten Nichtregierungsorganisationen Israels. Mittlerweile zählt die Organisation mit dem hebräischen Namen Machsom Watch (Checkpoint Watch) mehr als 400 jüdische Frauen. Wie viele es ganz genau sind, kann Roni Hammermann  nicht sagen. „Wir haben kein offizielles Büro, sondern arbeiten vor allem über E-Mails und private Treffen“, sagt sie. Jede Woche beobachten israelische Frauengruppen von Machsom Watch entweder morgens früh oder nachmittags ausgewählte Checkpoints im Norden und Süden des Landes. Sie machen Fotos vor Ort, von Menschenrechtsverletzungen, sie notieren Vorfälle und sammeln die Informationen, um sie zu publizieren.

593 KOntrollpunkte und Barrieren

Israel verfügt derzeit über 80 fester Kontrollpunkte, der Großteil untersteht dem Verteidigungsministerium und wird von SoldatInnen und jeweils einem_r diensthabenden_r OffizierIn verantwortet. Insgesamt verteilen sich 593 Kontrollpunkte unterschiedlichster Art sowie Straßensperren, sogenannte Roadblocks“, auf palästinensischem Land. Seit einigen Jahren aber gibt es die Tendenz des „Outsourcing“: Die Checkpoints werden privatisiert, die Kontrolle führen Sicherheitsfirmen aus. Für PalästinenserInnen hat sich damit die Situation dramatisch verschlechtert. Die privaten Kontrollpunkte gelten als verroht, die Demütigungen bei den Kontrollen seien extremer als bei den militärisch geführten, kritisieren istaelische und internationale MenschenrechtsbeobachterInnen.  Die sogenannten Private Guards seien ungebildet und spielten sich wie die Sheriffs gegenüber den PalästinenserInnen auf, heisst es.

RESPEKT VOR DEM ALTER

Dies beobachten auch die Frauen von Machsom Watch, die sich vor allem dort positionieren, wo viele Menschen sind. Ihre Notizen und Fotos zeigen Momente von Menschenrechtsverletzungen durch Video-Kameras und ihren Stift auf – und sie verhandeln aktiv mit den SoldatInnen. Denn oftmals werden sie ZeugInnen davon, dass PalästinenserInnen die Kontrollpunkte nicht passieren dürfen. Ohne Grund, aus einer Laune heraus, begleitet von Aggressionen und Willkür. Sie bekommen mit, wie Menschen gedemütigt werden von SoldatInnen, denen der Pubertätsflaum manchmal noch auf der Oberlippe steht. Dann ist der Zeitpunkt für die Israelinnen gekommen, um einzugreifen. „Unser Vorteil ist, dass wir mit den Soldaten auf Hebräisch sprechen können. Wir sind Israelinnen und genießen dadurch eine Sonderposition, die internationale BeobachterInnen nicht haben“, so Roni Hammermann. Bei den Gesprächen mit den SoldatInnen helfe ihnen auch ihr Alter, sagt die Machsom-Watch-Mitgründerin. Alle Frauen sind über 50 Jahre alt, ein Großteil von ihnen sogar über 65. Das verschaffe ihnen zumindest anfänglich Respekt.

Über die Grüne LInie

Jede Frauengruppe veröffentlicht regelmäßig ihre Berichte auf der Webseite von Machsom Watch. Der israelische Staat hat seit Jahrzehnten Checkpoints installiert, die Palästinenser täglich passieren müssen. Auf dem Weg zur Arbeit, in die Universität, zu Familie und Freunden oder in die Gemeinde – ohne Checkpoint, ohne Identitätskarte und die schriftliche beantragte Erlaubnis von israelischer Seite geht es nicht weiter. Die rund 80 Kontrollpunkte seien nach internationalem Recht illegal auf palästinensischem Land gebaut, sagt Roni. Hinzu kommen zahlreiche sogenannte flying und partial Checkpoints, also fliegende und teilweise installierte, die in Sondersituationen ad-hoc errichtet werden und manchmal für tausende von Menschen ein großes Hindernis darstellen. Nur acht von ihnen befinden sich innerhalb der sogenannten Grünen Linie, der Waffenstillstandslinie von 1948. Machsom Watch informiert darüber auf seiner Webseite, bei Rundgängen und in Publikationen.

Öffentlichkeitsarbeit leisten

Am Anfang war es nur eine Handvoll Frauen, die sich Machsom Watch anschloss. Aber schon 2004 konnte die kleine Organisation sich offiziell registrieren lassen und damit auch Spendengelder rekrutieren. Diese sichern die laufenden Kosten für Machsom Watch. Die meisten Gelder werden für den Transport der Frauen an die Checkpoints benötigt, die oft weit weg von den Lebensmittelpunkten der Mitglieder liegen. Auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wird zunehmend kostspieliger. Denn natürlich möchte die Organisation ihr Wissen über die israelische Besatzung, die Informationen über die Checkpoint-Lage, verbreiten. In den letzten Jahren hat diese Arbeit zugenommen, weil „uns klargeworden ist, dass wir die israelische Gesellschaft wirklich aufklären müssen“, sagt Roni Hammermann.

Filme, Touren, Publikationen


Machsom Watch hat einen Film produziert über die missliche Lage der Bauern im Jordantal, Titel :“The fading valley“. Bald soll eine Studie zu landwirtschaftlichen Toren bei Qualkilia im Norden der Westbank herausgebracht werden, um damit für die Öffentlichkeit „den systematischen Landraub Israels zu verdeutlichen“. Die Organisation hat einen Imagefilm mit dem Namen „The gate keepers“ über sich selbst produziert. Einige Frauen dokumentieren regelmäßig Gerichtsverhandlungen in den Militärgerichten, in denen häufig Jugendliche ohne rechtmäßige Anklage und ohne einen Anwalt oder eine Anwältin sitzen. PalästinenserInnen, die keine Passierscheine bekommen und auf der Schwarzen Liste Israels stehen, können sich ebenfalls an die Frauen wenden. Es gelingt nicht immer, die Namen dort zu entfernen. Aber so manches Mal hat es schon geklappt.

Wir können überall stehen

Die Frauen legen jetzt mehr Gewicht auf Führungen in englischer und hebräischer Sprache, sie gehen in vorbereitende Militärcamps für israelische Schüler, die den Armeedienst noch vor sich haben oder sprechen in Schulen und Akademien über ihre Arbeit.  Roni Hammermann selbst steht einmal pro Woche am Qualandia-Checkpoint, einem der größten Kontrollpunkte auf Jerusalem-Seite, der von und nach Ramallah führt. Dieser Checkpoint sei besonders grausam, findet sie. Denn dort müssen sich die wartenden Menschen in Käfig artige Schlangen einreihen und oft stundenlange Wartezeiten auf sich nehmen. „Häufig wissen die jungen SoldatInnen in Qualandia noch nicht einmal, wo sie da genau sind, ob Westbank oder Jerusalem – eine absurde Situation“, findet Roni Hammermann.

Die Luft ist dünn

Die Gespräche mit den SoldatInnen enden nicht immer gut für die engagierten Frauen. Einige wurden schon verhaftet, rüde angefasst oder das Militär versuchte, sie gar ganz zu verjagen. „Aber wir können dort überall stehen. Niemand kann uns befehlen, dass wir weggehen sollen“, ist Roni Hammermann überzeugt. In Zeiten von immer restriktiver werdenden Gesetzen gegen israelische AktivistInnen und linke JournalistInnen stellt Machsom Watch eine absolute Ausnahme dar. Wer in Israel die Besatzung als solche benennt und kritisiert, für den wird die Luft deutlich dünner. Roni Hammermann weiß das und es zermürbt sie. Ihre Tochter lebt in Mainz. „Gottseidank, damit entkommt sie der israelischen Gehirnwäsche“, sagt die Mutter Roni Hammermann. Ihren Sohn ist sie dabei zu überreden, Israel ebenfalls zu verlassen.

Kritik ist Wichtig

Ronis Prognose für die Zukunft sieht düster aus: Sollte die israelische Gesellschaft sich nicht von ihrer rassistischen Haltung und ihrem Apartheidsgebaren gegenüber Andersdenkenden und ihren palästinensischen MitbürgerInnen abwenden, drohe dem Land ein absolutes Chaos, so ihre Prophezeiung. Dies würde nur noch durch einen totalen Krieg in der Region getoppt werden – ein „Unglücksfall“, wie Roni Hammermann es ausdrückt. Zum Beispiel wenn die arabischen Nachbarn Israel angreifen würden. Sie hofft das nicht. Aber woran glaubt sie noch? „Ich befürworte die internationale Boykottbewegung gegen uns und ich finde, der Druck von außen auf Israel muss zunehmen. Auch ihr Deutsche müsst mehr aufwachen! Kritik an Israel ist kein Antisemitismus, sondern notwendig – diese Behauptung ist Quatsch!“

Deutliche Worte einer Frau, die über sich sagt, dass sie nicht mehr weiß, ob sie in dieser Situation noch psychisch gesund sein kann. Wie antwortete Roni Hammermann zu Beginn unseres Gesprächs auf meine Frage, seit wann Machsom Watch aktiv sei? „Wir halten seit 2001 durch.“

Informationen: Machsom Watch und UN OCHA im Internet
Die israelische Organisation Machsom Watch begeht am Sonntag, 29.08.2021, ihr 20-jähriges Bestehen mit einer digitalen Ausstellung, für die man sich hier registrieren kann. Website: machsomwatch.org
Das Interview habe ich 2016 mit Roni Hammermann in Jerusalem geführt. Ich habe es minimal angepasst. Aktuelle Karten und Zahlen zu den palästinensischen Gebieten veröffentlicht das Büro der Vereinten Nationen UN Ocha auf seiner Homepage: United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – occupied Palestinian territory | Home Page

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Liva Haensel im Podcast-Studio

Über Frauenbilder und Männerblicke

Warum ist es immer noch so schön, wenn Frauen sich vor der Linse ausziehen und Männer zugucken dürfen? Und: Was wäre, wenn wir diese Rollen einfach mal umdrehen oder ganz aufbrechen würden? Im April dieses Jahres war ich Gast im Podcast-Studio des Berliner Fotografen Boris Mehl. Boris macht Boudoirfotografie, das heißt, er fotografiert hauptsächlich Frauen in Dessous in sinnlicher Szenerie. In dem Podacst sprechen wir über Gleichberechtigung vor und hinter der Kamera und warum sich mehr Diversität in der Welt lohnt. Hört einfach selbst rein!

Boudoir Podcast – Interview mit Liva Haensel – Kommunikationsberaterin › Boudoirpodcast

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Auf ein Neues!

Das Medien-Netzwerk „Deine Korrespondentin“ berichtet seit Mai 2015 über Frauen aus aller Welt. Die Journalistinnen sind absolute Profis. Jetzt brauchen sie Geld, um ihr Format weiter auszubauen. Ein Treffen im neuen Jahr mit den sympathischen High Potentials im Hamburger Stadtteil St. Pauli. 

Schummriges Licht, Cocktails mit blumigen Namen, gemütliche Postermöbel: Ein bisschen Wohnzimmer-Atmosphäre herrscht in der Kneipe „Möwe Sturzflug“ im Hamburger Stadtteil St. Pauli, als ich mich peu-á-peu vorbei an den vielen Leuten bis hin zu dem Tisch im hintersten Raum durchschlängele. Dort sitzen schon drei Frauen so um die Anfang Dreißig. Sie nippen an Gläsern mit Holunderblütensyrup, Rum und Minze-Blättern. In ihren Gesprächen dreht sich alles um Artikel, Redaktionen und Themen. Und im Laufe des Abends kommen immer mehr Journalistinnen hinzu. Als Pauline Tillmann den Raum betritt, sinkt der Geräuschpegel merklich, die Aufmerksamkeit ist ganz auf sie gerichtet. Viele der Frauen begrüßen sie freudig. Man kennt sich gut. Denn Pauline hat vor knapp drei Jahren das Online-Magazin und Medien-Startup „Deine Korrespondentin“ in Berlin gegründet. Die Geschäftsführerin und ihre Korrespondentinnen treffen sich heute Abend in Hamburg zum „Meet and Greet“ und sie haben auch Freunde und Fans eingeladen. Ich bin gekommen, um mehr zu erfahren. Denn nach fünf Jahren Abwesenheit aus Deutschland interessiere ich mich vor allem für neue, digitale Formate, für Diversität und Projektinnovationen in der deutschen Medienszene. Was also macht „Deine Korrespondentin“?

Frauen sichtbar machen

Pauline setzt sich und erzählt. „Die Idee von „Deine Korrespondentin“ ist, Frauen in der Öffentlichkeit durch eine bewusste Berichterstattung sichtbarer zu machen“, sagt sie. Studien zeigen auf, dass über Männer fünf Mal mehr als über Frauen berichtet werde . Dieses Ungleichgewicht habe sie immer gestört, so Pauline. Denn viele Aspekte weiblicher Lebenswelten tauchen so gar nicht auf und werden von Männern im Medienbereich dann nicht wahrgenommen. Als freie Auslandskorrespondentin für öffentlich-rechtliche Sender berichtete Pauline vier Jahre lang aus St. Petersburg. Die Buchautorin machte anschließend eine Recherche-Reise in die USA. Aus dem Silicon Valley nahm sie den Schwung mit nach Deutschland, Neues und Innovatives zu wagen, auch mal scheitern zu können, aber vor allem den Mut zu aufzubringen, ein neues Format zu starten.  Deswegen lautet das Motto von „Deine Korrespondentin“ auch: Hören wir auf, zu reden und fangen wir an, zu machen.

Einzigartig gut

Zehn Korrespondentinnen berichten seit 2015 u.a. aus Uganda, Israel, Frankreich, Chile und Brasilien über ganz unterschiedliche Frauen in Form von Features, Podcasts und Reportagen. Dabei fungieren die Frauen multimedial, sind gleichermaßen als Expertinnen ihrer Länder wie auch als Journalistinnen unterwegs. Und „Die besten Geschichten von Frauen aus der ganzen Welt“, wie es auf der Website heißt, sind einzigartig gut.
Mareike Enghusen beispielsweise, die Israel-Korrespondentin, hat zwei Schwestern in Ramallah porträtiert, die ihrer Machogesellschaft ein Schnippchen schlagen und ein erfolgreiches Modeunternehmen gegründet haben. Mareike schreibt auch für Brand Eins und andere renommierte Medien. „Gerade bin ich in Kairo, lerne weiter Arabisch und werde erstmal bleiben, weil es dort so spannend ist“, sagt sie.

Harte Wirklichkeit

Qualität, dieses Wort, wird von den Korrespondentinnen mit echtem, hochwertigem Inhalt gefüllt. Die Geschichten auf „Deine Korrespondentin“ schmecken wie ein Glas sehr guten Whiskeys. Aber das hat natürlich auch seinen Preis. Denn das „Medien-Labor, wie Pauline „Deine Korrespondentin“ gerne nennt, ist nur tragfähig, wenn LeserInnen bereit sind, für gute Inhalte zu bezahlen. In dieser Hinsicht kämpft das Magazin genauso wie konventionelle Medienhäuser auch mit der harten Wirklichkeit – Journalismus soll gut sein, aber am liebsten soll er nichts kosten. Deshalb setzt „Deine Korrespondentin“ auf Spenden und neue Medien-Kooperationen.

Monatlich unterstützen

Auf steady kann jede(r) das Magazin mit geringen Monats- oder Jahressummen schon ab 5 Euro unterstützen. Ein lohnenswertes Engagement, wie ich finde. Denn, mal ganz ehrlich:  Wo besser sonst als hier kann man die tollsten Geschichten von Frauen aus der ganzen Welt lesen, sehen und hören?

Update: „Deine Korrespondentin“ gibt es immer noch! Nach einigen Kampagnen im Netz in den vergangegen Jahren hat Pauline Tilmann es geschafft, sogar eine Journalistin mit an Bord zu nehmen, die über innovative Frauen in Deutschland schreibt. Die Plattform ist weiter auf finanzielle Hilfe angewiesen, um ihre Kosten zu decken. Informationen zu dem Netzwerk, den einzelnen Korrespondentinnen sowie Artikel und Podcast-Audios gibt es direkt auf der Seite „Deine Korrespondentin“.

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Herzlich willkommen

Seit einiger Zeit tummeln sich auf dem deutschen Medienmarkt innovative, feministische Magazine und Formate. Sie verändern den Medienmarkt zum Positiven. Dass guter Journalismus nicht mehr ohne sie auskommt, hat auch der Spiegel-Fall kurz vor Weihnachten 2019 deutlich gezeigt. 

Wenn man ein paar Jahre im Ausland gelebt hat, hat man das Gefühl, eine Menge verpasst zu haben. Zum Beispiel bezüglich Technik: CDs hört niemand mehr, es wird nur noch über Handy gestreamt, sagt die Media-Markt-Mitarbeiterin zu mir. Ich schaue nachdenklich und werde ein bisschen traurig – die vielen schönen, alten CDs, die ich gerade erst aus meinen Umzugskisten rausgefischt habe, was mache ich jetzt mit ihnen? Als ich noch einmal meinen Blick über die Ladenregale schweifen lasse, sehe ich ganz viele Schallplattenspieler. Vinyl ist doch Vintage und sie nehmen auch Platz weg, aber – die sind doch super! Vielleicht hat die Frau doch nicht recht und auch CDs werden irgendwann wieder en vogue sein… in altmodischen Musikanlagen oder coolen Ghettoblastern, who knows.

Feministische Formate

Etwas, das sich aber tatsächlich in Deutschland grundlegend geändert hat  – und hier wird es kein aufgezäumtes Vintage und kein Zurück in die guten, alten Zeiten mehr geben – ist der feministische Journalismus. Seine Blüten sind noch jung. Aber sie mausern sich schon zu  ausgewachsenen Blumenköpfen in diesem Land. Ja, ihr habt richtig gelesen. Es rappelt in der medialen-feministischen Kiste! Und an dieser Stelle möchte ich ein paar Formate nennen, ohne die wir nicht mehr wollen und können.

Frei und unabhängig

Missy Magazine: Nicht mehr knospig, sondern absolut ausgereift und 10-jährig ist das mittlerweile legendäre Missy Magazine. Das Magazin für Pop, Politik und Feminismus mit Redaktion in Berlin-Mitte ist, glaube ich, das beste, was allen aufgeweckten Männern und Frauen hier je passieren konnte. Die Missy, wie ich sie auch gerne im Kurzjargon nenne, schafft es auf einzigartige Weise, partizipativ, LGBT-gerecht, sozial und journalistisch hochwertige und relevante Reportagen, Kommentare, Bildstrecken, Grafiken und Themen so aufzubereiten, dass jedes Heft immer ein absolutes Geschenk ist. Die Ursprungsredaktion hat sich mittlerweile geändert und erneuert; ein Zeichen, dass die Leute dort sich selbst hinterfragen, reflektieren und stets wach bleiben. Missy hat keine Angst vor Sex, Dreck oder Provokation – das ist ungemein mutig. Dafür zahlt das Blatt den Preis der Unabhängigkeit. Bis heute gibt es niemand Reichen in Deutschland, sprich Mäzen, der die Missy im Hintergrund finanziell so unterstützt, dass sie von ihren Macherinnen profitabel und sorgenfrei umgesetzt werden könnte. Ein Grund mehr, dieses tolle, so freie Magazin mit einem Abonnement zu unterstützen – oder?

Nie dogmatisch

Edition F: Über Edition F stolperte ich das erste Mal auf Facebook. Denn dort wurden immer wieder gute Artikel von dem Onlinemagazin durch die Crowd geteilt. So lernte ich, dass es seit 2014 ein digitales Magazin von „Frauen und ihren Freunden“ gibt. Mit einer Chefredakteurin, die unaufgeregt weißen, alten Politik-Alphas zum Beispiel (und anderen) völlig gewaltfrei erklärt, warum Sexismus niemandem hilft, sondern uns allen schadet. Edition F ist nie dogmatisch oder erhebt den Zeigefinger moralisch. Hier kann ich mich als normale*r Leser*in widerspiegeln, mit meinen Gefühlen, Interessen und meinem Blickwinkel aus Frauensicht, der für Männer genauso wichtig ist. Die große Stärke des Online-Magazins ist, dass hier auch die Community schreibt und somit Wissen teilt. Und dass Theresa Bücker, die Chefin, positiv-führend in der #metoo-Debatte hervorstach. Mit Fakten und ruhiger Argumentation in einer Diskussion, die längst überfällig war und die noch lange nicht durch ist.

Aus aller Welt

Deine Korrespondentin: Dem Netzwerk von Auslandskorrespondentinnen hatte ich vor einem Jahr hier meinen ersten Artikel gewidmet. Das ist absolut verdient, denn Deine Korrespondentin hat etwas Revolutionäres getan: Pauline Tillmann, die Gründerin, hat die erste Plattform für deutschsprachige Journalistinnen aufgesetzt, auf der wir wirklich gute Texte zu guten Themen aus der ganzen Welt finden können. Aus erster Hand recherchiert von Expertinnen u.a. in Afghanistan, Peru, Israel oder Kasachstan, die die Landessprachen beherrschen, das journalistische Handwerk meisterlich verstehen und bewusst als Frauen Geschichten über andere Frauen machen. Außerdem gibt es einen Newsletter mit Infos und Links sowie aktuelle Podcasts. Pauline selbst sagt, dass sie immer noch kämpft. Denn auch Deine Korrespondentin verfügt über keine dicke Brieftasche. Die Plattform finanziert sich rein über Spenden sowie Veröffentlichungen in der Frankfurter Rundschau und auf Edition F. Pauline ist hochversiert und beteiligt sich aktiv an Konferenzen zu journalistischer Zukunft und Gründungen – auch mit Baby Amrai auf dem Podium. Das Team mit derzeit 10 Korrespondentinnen geht transparent und authentisch mit ihrem Media Lab um und lässt uns daran teilhaben. Wenn ihr Deine Korrespondentin unterstützen wollt, weil ihr auf guten Auslandsjournalismus steht, dann könnt ihr das hier tun.

Echter Qualitätsjournalismus

Was ist nun so aufregend an feministischem Journalismus? Nun, er bedeutet eine notwendige Entwicklung für die Online- und Printlandschaft. Denn er wird vor allem zwei spezifische Gruppen beeinflussen: an allererster Stelle uns – die Frauen! Endlich kommen so Role-Models für uns auf den Markt, die wir Kommunikationsfrauen nie hatten. In meiner gesammelten Berufsvita zähle ich bis heute nur eine einzige Frau als Chefin, aber 8 Männer als Chefs. Da ist es großartig zu sehen, dass Frauen Führung ergreifen und eigene Formate im Journalismus definieren, die Männer nie benötigten, weil sie als Privilegierte immer schon von dem System profitiert haben. Und es ist aufregend auch für sie: die männlichen Alphas. Denn an gleichberechtigter, gendersensibler Information und Informationsbeschaffung kommt Qualitätsjournalismus nicht mehr vorbei, wenn er glaubwürdig und professionell gemacht sein will.

Hans und Grete

Der so genannnte Qualitätsjournalismus wurde Jahrzehntelang von ihnen, den Herren am Kopf des Konferenztisches, den Alphas, gestaltet. Noch arbeiten diese in Vollzeit und definieren sich vor allem über ihre Jobs. Unvergessen für alle Journalistenschüler*innen bleibt in diesem Zusammenhang der sogenannte Küchenzuruf von Henry Nannen, dem langjährigen Stern-Chefredakteur. In seinem Beispiel für eine gelungene journalistische Kernbotschaft, die seine – vornehmlich männliche – Redaktion umsetzen sollte, ließ Nannen einen „Hans“ im „Esszim­mer“ den Stern lesen, während „Frau Grete“ in der Küche „sich die Schürze umbin­det, um sich für den Abwasch vorzubereiten“. Nach „beendigter Lektüre“ ruft Hans seiner Grete in die Kü­che zu: „Mensch Grete, die in Bonn spinnen komplett! Die wollen schon wieder die Steu­ern erhö­hen!“

Männliche Federn, weibliche Federn

Ich hätte in meiner Ausbildung zur Redakteurin, die ich von 2005 bis 2007 gemacht habe, gerne ein anderes Beispiel vorgelebt bekommen. Frei von einem festgezurrten Rollenbild, das mich in eine Küche als Vollzeit-Hausfrau zwängte, aber sicher nicht als ambitionierte Nachwuchsjournalistin am Newsdesk sitzen sah. Ich hätte tief getroffen sein können damals von diesem schlechten Beispiel einer männlichen Arbeitswelt, in der ich gar nicht existierte. Aber es war normal: Männer wollten Journalisten werden, wir Frauen wollten es auch. Doch unser Weg war unsicherer. Wir waren zwar physisch da, aber wir saßen nicht in den Machtpositionen. Dort, wo die Entscheidungen getroffen werden. Damit mussten wir leben. Eigentlich brutal.

Unter sich

Viele Jahrzehnte ging das ziemlich gut. Die Alphas klopften sich gegenseitig auf die Schultern und bestätigten sich: „Wow, geht doch, Jungs!“ Frauen assistierten. Geschichten waren männlich gestrickt, sie enthielten vor allem männliche Protagonisten und sie entstanden aus der männlichen Feder heraus.

Es ging gemütlich zu

Mittlerweile liegt der Anteil von Volontärinnen in Redakteursausbildungen bei über 50 Prozent. Der Anteil festangestellter und freier Journalistinnen in Deutschland geht an die 60 Prozent. Der Verein ProQuote Medien, der sich für eine 50-prozentige Machtverteilung für Frauen in Führungspositionen bei Rundfunk, Fernsehen sowie Tages- und Wochenzeitungen einsetzt, hat kürzlich eine erste Studie herausgegeben. Demnach ist Deutschland noch immer Entwicklungsland wenn es um die Gleichstellung von Frauen und Männern im Medienbereich geht. Denn Zahlen und Fakten sprechen für sich: Von 360 Zeitungen in unserem Land, werden nur 3(!) von Frauen geleitet. Und das in einem Fach, das sich als Hüter der Demokratie begreift.

Causa Claas Relotius

Und was war da eigentlich Weihnachten los? Mann, Mann! Derzeit ist es still geworden um Claas Relotius. Kurz vor Heiligabend aber hatte der junge, charismatische und preisgekrönte Reporter das gesamte Spiegel-Imperium zum Beben gebracht, weil er nachweislich Reportagen ausgeschmückt und gefälscht hatte. Interessant bei der Sache war aber nicht das alleine, sondern wie die Spiegel-Redakteure damit umgingen.  Der Journalist Juan Moreno musste Schwerstarbeit leisten, um seine Spiegel-Chefs davon zu überzeugen, dass sein Kollege Relotius Mist gebaut hatte. Moreno hat das selbst beschrieben, sowohl in der Printausgabe des Spiegel als auch in einem Video. Wie konnte es passieren, dass ein junger Mann eine so glänzende Karriere auf Basis von Schein und Betrug machen konnte? Das ist nur möglich, weil ihn ein Netzwerk stützte, das an ihn glaubte und ihn intensiv förderte. Studien zeigen: Männer fördern Männer – alte Männer fördern gerne junge Männer. Sie sehen sie in den zukünftigen Positionen sitzen, in denen sie selbst längst sind.

Ein langer Weg

Es ist Zeit. Time is up für Alphas. Sie ist da für guten, echten, puren Journalismus. Von Frauen. Für Frauen. Und für alle anderen, die wollen und den langen Weg mit uns mitgehen.

Herzlich willkommen!

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